Für echte Reformen statt Rückschritt – Warum Brandenburg jetzt eine moderne Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte braucht
Ein liberaler Blick auf die Debatte um Arbeitszeit, Überstunden und Lehrkräftemangel
Von Ralf Tiedemann
In Brandenburg tobt derzeit ein bildungspolitischer Streit, der tief blicken lässt – in die Strukturprobleme eines Schulsystems, das sich mit Bürokratie, Intransparenz und Personalmangel herumschlägt. Die aktuelle Entscheidung der Landesregierung, auf eine systematische Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte zu verzichten, ist ein Rückschritt in eine Zeit, in der staatliche Institutionen noch glaubten, Vertrauen ersetze Fakten. Aus liberaler Sicht ist diese Verweigerungshaltung ein Versäumnis auf mehreren Ebenen.
Transparenz ist kein Misstrauen – sie ist Vertrauen durch Daten
Ein modernes Bildungssystem braucht klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und vor allem: verlässliche Daten. Dass Brandenburgs Bildungsministerium die tägliche Arbeitszeit der Lehrkräfte nicht erfassen will – trotz klarer Urteile des Europäischen Gerichtshofs (2019) und des Bundesarbeitsgerichts (2022) – wirkt nicht nur gesetzesfern, sondern auch realitätsfern.
Lehrerinnen und Lehrer leisten weit mehr als nur Unterrichtsstunden. Sie bereiten vor, führen Gespräche, korrigieren Arbeiten, bilden sich fort – oft über die reguläre Arbeitszeit hinaus. Ohne Erfassung dieser Tätigkeiten bleibt die tatsächliche Arbeitsbelastung im Dunkeln. Wer aber Bildung gestalten will, braucht die Wahrheit, nicht Schätzwerte.
Flexibilität und Digitalisierung: Keine Widersprüche
Die Kultusministerkonferenz argumentiert, eine digitale Arbeitszeiterfassung würde die “flexible Zeiteinteilung” einschränken und den Beruf unattraktiver machen. Das Gegenteil ist richtig: Moderne Arbeitszeitsysteme – etwa wie das in Bremen geplante Modell per App – ermöglichen individuelle Flexibilität bei gleichzeitiger Datensicherheit und Planbarkeit. Liberale Bildungspolitik bedeutet: Vertrauen durch Technologie, nicht Kontrolle durch starre Vorgaben.
Faire Arbeitsbedingungen statt symbolischer Einschnitte
Die geplante Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung auf 28 (Grundschule) bzw. 26 Wochenstunden (weiterführende Schulen) mag rechnerisch von der Regierung als “ausgeglichen” dargestellt werden. Doch die Realität ist komplexer: Mehr Unterricht bedeutet automatisch auch mehr Vorbereitungszeit, mehr Korrekturen, mehr Belastung. Ohne begleitende Entlastung oder wenigstens transparente Zeiterfassung wirkt diese Maßnahme wie eine reine Sparmaßnahme auf Kosten des pädagogischen Personals.
Die angekündigten Klagen der Bildungsgewerkschaft GEW sind Ausdruck wachsender Frustration – und sie sind ein Weckruf. Ein liberaler Staat darf sich nicht hinter strukturellen Ausnahmeregelungen im Arbeitszeitgesetz verstecken. Er muss die Arbeitsrealität anerkennen und aktiv gestalten.
Warum Arbeitszeiterfassung auch dem Steuerzahler dient
Ein nicht zu unterschätzender Punkt: Auch der Staat als Arbeitgeber muss wirtschaftlich denken. Wenn es keine zuverlässige Erfassung der Arbeitszeit gibt, lässt sich weder Überlastung erkennen noch ein effizientes Personalmanagement betreiben. In Zeiten von Lehrkräftemangel und wachsendem Bildungsbedarf ist das fahrlässig. Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, dass Ressourcen gezielt, effizient und fair eingesetzt werden.
Mein Fazit: Was Brandenburg jetzt braucht
Brandenburgs Regierung sollte nicht länger auf die Bremse treten, wenn es um Modernisierung geht. Eine digitale, flexible und faire Arbeitszeiterfassung ist kein Selbstzweck, sondern Grundbedingung für bessere Bildung. Wer Leistung fordert, muss sie auch ehrlich messen – und anerkennen.
Ich fordere:
- Einführung eines transparenten, digitalen Arbeitszeiterfassungssystems für Lehrkräfte – landesweit.
- Verknüpfung der Zeiterfassung mit Entlastungsmodellen bei nachgewiesener Mehrarbeit.
- Einbindung der Lehrerverbände und Gewerkschaften in die Gestaltung – für praxistaugliche Lösungen.
- Evaluation der Unterrichtserhöhung nicht nur anhand von Stundenplänen, sondern anhand realer Arbeitsbelastung.
Bildung braucht Ehrlichkeit, Fairness und Mut zur Reform – Brandenburg hat jetzt die Chance, sich vom Schlusslicht zum Vorreiter zu entwickeln. Verpassen wir sie nicht.
Ralf Tiedemann, Bildungspolitischer Sprecher FDP Brandenburg – Für Eigenverantwortung, digitale Reformen und eine gerechte Bildungspolitik.
Volle Zustimmung, Ralf.
AntwortenLöschenArbeitszeiterfassung dient dem Land, aber auch dem einzelnen Lehrer.
Sie schützt vor Selbstausbeutung, schafft mehr Selbstbestimmung und ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Schule und Privatleben. Wer moderne Arbeitsbedingungen verspricht, muss Lehrkräften auch moderne Werkzeuge dafür an die Hand geben.
Danke Stefan, es ist ein langer Weg, aber ich bleibe dran.
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